Es ist ein Interview geplant, wie schon viele vorher. Hr. Flassig ist KundInnenvertreter (KV) der LNW Lebenshilfe NetzWerk GmbH und führt das Gespräch. Teilnehmer sind Fr. Carolina Kobald, Kundin der LNW Lebenshilfe NetzWerk GmbH, sie war bis dato in der Beruflichen Qualifizierung in Gnas tätig und Fr. Martina Auer, Inhaberin der Bäckerei. Carolina möchte Caro genannt werden. Zusätzlich anwesend sind die Mutter von Caro, Fr. Kobald, Fr. Manuela Mühlberger-Gombocz (AssistentIn der LNW für Berufliche Qualifizierung), Fr. Manuela Frühwirth (Unterstützung der KV).
Der ursprüngliche Grund des Interviews war der Tag der Inklusion, welcher jährlich am 5. Mai stattfindet. Das Interview wurde auch an die Lebenshilfe Österreich weitergeleitet. Aber grundsätzlich geht es hier vorrangig um das Aufzeigen von gelungenen Beispielen, wie wichtig Inklusion, Teilhabe ist.
Als wir die Bäckerei Auer in Kirchbach betreten, spürt man sofort die familiäre Atmosphäre und die Leidenschaft für diesen Beruf. Wir lernen Frau Martina Auer, die Chefin und Eigentümerin, kennen. Sie empfängt uns sehr herzlich, und nach Klärung der Datenschutzfragen beginnt das Interview.
Wie begeistert Frau Auer von Caro ist, kann man von Beginn an wahrnehmen, und schon nach kurzer Zeit vergisst man, dass es eigentlich Arbeit ist.
Hr. Flassig stellt die Fragen und beginnt mit der Arbeitgeberin Frau Auer / Fa. Martina Auer:
Ein inklusiver Arbeitsmarkt ist wichtig, weil:
Es wichtig ist, dass Menschen mit Beeinträchtig gleiche Chance bekommen;
Lehrlinge werden DRINGEND benötigt;
Menschen mit Beeinträchtigung MÜSSEN unterstützt werden;
Jeder Mensch muss die gleichen Chancen haben;
Wir alle LERNEN voneinander;
Wir haben keine Fachkräfte mehr;
Unser Handwerk stirbt bald aus, wir als kleiner Betrieb machen noch alles per Hand, es werden Eier noch aufgeschlagen, jeder Teig selbst von Hand gemacht, das benötigt Zeit und Menschen, welche das mit Freude machen.
Was hat sich verändert durch die Mitarbeit von Caro in der Bäckerei:
Wir sind wie eine Familie;
Jeder steht für jeden ein.
Wie stehen Sie als Firma dazu:
Es ist sehr wichtig Menschen, die lernen wollen, zu unterstützen;
Caro ist wie alle ANDEREN auch;
Sie ist aber zusätzlich einfach großartig und sehr fleißig;
Sie sieht die Arbeit, setzt alles Gelernte um, das ist für mich sehr schön zu beobachten.
Wie wurden Sie aufmerksam auf sie:
Die Mama von Karo und ich kennen uns, so ist der Kontakt entstanden;
Daraufhin wurde ein Praktikum, über die LNW Lebenshilfe NetzWerk GmbH, ausgemacht;
Nun war sie 1 ½ Jahre als Langzeitpraktikantin bei uns und hat so viel gelernt, wie ich/wir auch.
Die Zusammenarbeit mit Caro war wichtig:
Weil JEDER Mensch eine Chance verdient;
Unsere Caro verdient diese SEHR;
Sie ist unser erster Lehrling;
Wir dürfen nun mit Caro starten, das macht mich als Chefin sehr glücklich und stolz;
Auch wir können wieder mit ihr mitlernen;
Viele Arbeitsschritte, die ein Lehrling machen muss, sind bei vielen MitarbeiterInnen schon in Vergessenheit geraten, da kann man wieder vieles auffrischen.
Wie reagieren MitarbeiterInnen:
Sie reagieren sehr gut;
Caro hat als Kollegin ihren Platz gefunden;
Alle sind sehr stolz auf sie;
Sie ist eine Angestellte wie alle anderen auch;
Ein ganz „NORMALER“ Lehrling;
Es gibt immer ein gemeinsames Frühstück und Mittagessen, auch um die Gemeinschaft zu festigen;
Jeder lernt von Jedem;
Jeder ist wichtig, alle müssen zusammenhalten und mitarbeiten.
Wie reagieren GeschäftspartnerInnen, KundInnen:
Niemand erkennt einen Unterschied.
Wie wichtig ist es, dass die Politik: etwas ändert / dazu steht / diesbezüglich Verordnungen ändert oder ins Leben ruft:
EXTREM WICHTIG, jeder Mensch, der lernen möchte, MUSS Unterstützung bekommen!!!!
Denn jeder Mensch muss gleichbehandelt werden und die gleichen Chancen bekommen;
Gleichberechtigung für ALLE, in allen Belangen: Pension – Selbstversicherung – Gehalt.
Danach wird die neue Mitarbeiterin Carolina „Caro“ Kobald befragt, welche ab 1. Mai als Lehrling in der Fa. Auer tätig sein wird:
Durch die Arbeit in der Firma Auer konnte ich vieles Lernen:
Ich bin schon viel selbstständiger geworden;
Richte alles her;
Ich kann wiegen und etikettiere, was zu verpacken ist; Frühstück/Essen richten für die gesamte Belegschaft;
Teige vorbereiten;
Kekse, Kuchen etc. herstellen und/oder mitarbeiten;
Die Arbeit hier ist sehr vielfältig;
Es wird auch Essen gekocht, alle Arbeitsschritte sind anders;
Ich schreibe mir vieles auf, damit ich es nicht vergesse.
Wie wichtig ist dir diese Anstellung:
SEHR WICHTIG;
Es ist ein neuer Lebensabschnitt;
Nicht mehr in der Lebenshilfe zu sein;
Ich bin Lehrling;
Keine Praktikantin;
Eine vollwertige Mitarbeiterin in einer Firma.
Was bringt es dir:
Ich bin SELBSTSTÄNDIG;
Nicht mehr abhängig;
Ich habe mein eigenes Geld.
Was kannst du dir jetzt leisten:
Führerschein und ein AUTO;
Hab von meiner Chefin zu Weihnachten schon 2 Stunden Fahrtraining geschenkt bekommen.
Wie reagiert die Umwelt darauf, dass du jetzt angestellt bist und auch eine Pension bekommst:
Alle haben sich gefreut und sind sehr stolz.
Wie hört sich das an: Ich kann einer regulären Beschäftigung nachgehen:
Sehr gut;
Ich werde Lehrling in einer Bäckerei;
Ich benötige teilweise weitere Unterstützungen in Form von Lernbetreuung;
Ich benötige auch Unterstützung bei dem Weg zur Arbeit, da es leider mit Öffis gar nicht funktioniert;
Die Beihilfe (Lehrlingsfreifahrt) zum Weg zur Arbeit und retour wird von privaten Schulbusunternehmen leider nicht akzeptiert;
Aber auch hier bekomme ich viel Unterstützung von ArbeitskollegInnen, meiner Nachbarin, aber auch von meiner Chefin und natürlich auch von meiner Mama.
Was wünschst du dir von der Politik:
Dass Menschen wie ich unterstützt werden;
Auch die Betriebe und Einrichtungen, die mich unterstützt haben.
Es soll / muss besser umgesetzt werden:
Dass jeder Mensch mit Beeinträchtigung ein Gehalt bekommt und selbstversichert ist!!!
Es ist mehr als nur ein Interview, man merkt die Kraft, die Hingabe, die Begeisterung. Man spürt den gegenseitigen Respekt, die Wichtigkeit, ehrlich miteinander umzugehen, Dinge klar anzusprechen, egal ob positiv oder negativ, wie man Partnern auf Augenhöhe eben begegnet.
Danke für den Einblick und die Gastfreundschaft.
Man kann nur jedem empfehlen, in dieser Bäckerei Rast zu machen, es duftet und schmeckt sehr gut. Vor allem aber spürt und merkt man die Achtsamkeit, das Bestreben, die Wichtigkeit, alles in Einklang zu bringen bei den Menschen, die hier arbeiten und bei den Produkten, die dadurch entstehen.