Menschen mit Behinderungen bekommen weiterhin nur ein Taschengeld und kein Gehalt für ihre Arbeit – so schreibt es das Gesetz vor.
Der internationale Tag der Menschen mit Behinderungen ist ein jährlicher Anlass, um über die rechtliche Lage von Menschen mit Behinderungen Bilanz zu ziehen. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Menschen mit Behinderungen fehlt weiterhin die rechtliche Gleichstellung und Teilhabe im gesellschaftlichen Leben, besonders in der Schulbildung und am Arbeitsplatz. Das sind jedoch die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben. Viel zu oft wird vergessen, dass Selbstbestimmung nicht nur ein allgemeines Bedürfnis, sondern ein Bürgerrecht ist.
Eine lila Revolution für wirtschaftliche Selbstbestimmung
Aus diesem Grund schließt sich die Lebenshilfe der globalen Kampagne Purple Light Up (englisch für „Lila Aufleuchten“) an 3. Dezember an, um auf die wirtschaftliche Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen aufmerksam zu machen. Auf mehreren Plattformen der Lebenshilfen wurden Logo, Beiträge und Stories lila eingefärbt, um so auf die wertvolle Arbeit von Menschen mit Behinderungen aufmerksam zu machen. Ein besonderes Anliegen von den Selbstvertreter*innen der Lebenshilfe ist es, ein Gehalt statt Taschengeld für ihre Arbeit zu bekommen. Selbstvertreter*innen sind Menschen mit Behinderungen, die für sich selbst und andere Menschen mit Behinderungen sprechen.
„Ich brauche Gehalt statt Taschengeld, damit ich mir eine Existenz aufbauen kann.
Ich brauche Gehalt statt Taschengeld, damit ich mir die Pension leisten kann.
Wir wollen als Erwachsene gesehen werden, darum Gehalt statt Taschengeld.
Wenn wir Gehalt statt Taschengeld bekommen, ändert sich auch das Denken in der Gesellschaft. Die Gesellschaft wird uns gleichwertig behandeln. Gleichberechtigung heißt: Wir sind alle Menschen. Menschen mit Beeinträchtigung sind wie ich und du!“ Karin Riegler, Selbstvertreterin der Lebenshilfe Oberösterreich.
„Ich möchte ein Gehalt, damit ich auch einmal von daheim ausziehen und selber wohnen kann. Damit ich mir mein Fitnesscenter selber leisten kann, ohne meine Mutter bitten zu müssen.“ Claudia Meister, Selbstvertreterin der Lebenshilfe Tirol.
„Taschengelder bekommen Kinder oder Schüler*innen. Die Arbeit, die wir machen,
soll endlich als Leistung anerkannt werden! Dazu braucht es auch eine gerechte Bezahlung. Und zu einem Gehalt gehört auch eine Pensionsversicherung.
Ich brauche Gehalt statt Taschengeld, damit ich mit meinen Freunden Abendessen gehen kann. Ich brauche Gehalt statt Taschengeld, damit ich mir einmal eine eigene Wohnung leisten kann. Ich brauche Gehalt statt Taschengeld, damit ich auf Urlaub fahren kann. Wir sind keine Kinder, darum Gehalt statt Taschengeld!“ Roland Öhlinger, Selbstvertreter der Lebenshilfe Oberösterreich.
„Mir ist es wichtig, dass Menschen mit Behinderung einen Lohn wie jeder andere bekommen. Ich bin selber in einer Werkstatt beschäftigt und auch jeden Tag für acht Stunden in der Werkstatt tätig. Dafür bekomme ich 40 Euro Taschengeld.“ Hubert Raunjak, Selbstvertreter der Lebenshilfe Kärnten.
„Durch einen richtigen Arbeitsplatz und Gehalt steigen unser Selbstwert und unsere Würde. Wir haben dazu die Möglichkeiten, uns weiterzuentwickeln und auch mit der Zeit neue Tätigkeiten zu erlernen. Denn ich bin überzeugt, dass auch Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf etwas leisten.“ Klaus Brunner, Selbstvertreter der Lebenshilfe Vorarlberg.
Die Lebenshilfe hat als Interessenvertretung für die Rechte von Menschen mit Behinderung ein Modell entwickelt, dass unter anderem ein eigenes Einkommen und eine eigenständige Sozialversicherung gewährleistet. Es heißt das 2-Säulen-Modell und soll nun in Pilotprojekten in einzelnen Bundesländern umgesetzt werden. In einem Video in leichter Sprache wird dieses Modell genauer erklärt: https://youtu.be/smuMEQvfBos.
Ungleichbehandlung startet oft bei Unwissenheit
Diskriminierung, ob bewusst oder unbewusst, ist fester Bestandteil der Realität von Menschen mit Behinderungen. Es gibt noch viele soziale und gesellschaftliche Stigmata und Vorurteile rund um das Thema Behinderung. Doch auch rechtlich warten Menschen mit Behinderung schon lange auf ihre Gleichstellung – und das in Österreich, wo doch „alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechte geboren“ sind. Zusätzlich wurde 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention von Österreich ratifiziert, das sich somit in die Pflicht genommen hat, die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten.
Erst diesen Herbst demonstrierten Menschen mit Behinderungen, um ihren Unmut gegenüber dem politischen Unwillen zu zeigen. Der Österreichische Behindertenrat geht heute zur Parteizentrale der ÖVP und zum Parlamentsclub der Grünen, um ein Forderungspaket zu übergeben. Bundeskanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler wurden erneut eingeladen, es entgegenzunehmen. Die Forderungen können hier nachgelesen werden: https://www.behindertenrat.at/demonstration/forderungspaket/